Am 14.11. war TraCe zu Gast bei der Reihe Crisis Talks in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel. Das Thema der Podiumsdiskussion, bei der Dr. Sabine Mannitz die Keynote hielt und anschließend auch auf dem Podium saß, lautete „Aufarbeitung kolonialer Gewalt – Möglichkeiten postkolonialer Erinnerungspolitik“.
Uwe Becker, Staatssekretär für Europaangelegenheiten der Hessischen Landesregierung, stimmte mit einem kurzen Videogrußwort auf die Diskussion ein. Er betonte die Wichtigkeit, die vielschichtigen und komplexen Fragen einer postkolonialen Erinnerungskultur insbesondere auch auf europäischer Ebene zu diskutieren.
In ihrer Keynote unterstrich Sabine Mannitz, die Unabgeschlossenheit der Kolonialgeschichte, das Nachwirken kolonialer Verhältnisse in globalen Machtkonstellationen und Formen der Wissensproduktion. Sie forderte die Aufarbeitung des Kolonialismus nicht bloß national anzugehen, sondern diese auch als gemeinsames europäisches Projekt zu verstehen. So seien Forschung und Akteure der Zivilgesellschaft zum Teil bereits europaweit vernetzt – eine gemeinsame europäische Politik zu dem Thema sei aber noch nicht auszumachen. Insbesondere von Brüssel könnten wichtige Impulse ausgehen, um die kolonialen Verflechtungen zu adressieren, die bis heute strukturelle Ungleichgewichte erzeugten. Postkoloniale Perspektiven, zum Beispiel in Schulbüchern und Museen, seien geeignet, im Zusammenhang zu vermitteln, wie die westliche Moderne und ihr ökonomischer Aufstieg auf den kolonialen Eroberungen basierte. Dies sichtbar zu machen, könne zu einer Erinnerungskultur beitragen, in der Gewaltverhältnisse und ihre Bedingungen weniger beschwiegen als verstanden würden
Auf dem anschließenden Podium, moderiert vom Journalisten Alexander Göbel, wurde der wissenschaftliche Input von Sabine Mannitz durch Positionen von Laura Gaëlle Ganza ergänzt. Diese brachte als unabhängige Beraterin insbesondere Perspektiven aus dem Kulturbereich ein: Notwendig für eine Aufarbeitung der europäischen Kolonialzeit sei in erster Linie eine klare Haltung dazu; diese gebe es bis dato – auch in vielen Museen – noch nicht. Koloniales Erbe sei tief in unserem Leben verankert und oft unsichtbar. Es müsse daher zunächst aufgedeckt werden, um es abbauen zu können. Mannitz betonte in ihren Beiträgen unter anderem die Wichtigkeit der Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wenn es um die Aufarbeitung kolonialer Gewalt geht. Aufgrund von strukturellen Hindernissen (wie zum Beispiel restriktiven Visa-Bestimmungen) sei genau das mit Ländern des globalen Südens aber häufig erschwert.
Abgerundet wurde die Podiumsdiskussion durch zahlreiche und anregende Publikumsfragen, die die Relevanz des Themas untermauerten. Die Veranstaltung brachte knapp hundert Personen aus verschiedensten (politischen) Institutionen in Brüssel zusammen. Sie wurde außerdem live gestreamt und kann sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch nachgeschaut werden.
Über die Veranstaltungsreihe: In der Reihe „Crisis Talks“ geht das Leibniz-Forschungsnetzwerk „Umweltkrisen - Krisenumwelten“, koordiniert vom Peace Research Institute Frankfurt, gemeinsam mit dem Forschungsverbund „Normative Ordnungen” der Goethe-Universität Frankfurt und der Hessischen Landesvertretung in Brüssel der Frage nach, wie Europa mit seinen aktuellen und vergangenen Krisen umgehen sollt, um sie produktiv zu nutzen.