Das Forschungsfeld Interpretationen betrachtet den Wandel politischer Gewalt durch die Perspektive veränderter Interpretationsprozesse, sozialer Praktiken sowie individueller und kollektiver normativer Bewertungen.
Dabei werden sowohl die sich verändernden Rechtfertigungsmuster und Bedeutungszuschreibungen politischer Gewalt in den Blick genommen als auch der Beitrag von Erinnerungsdiskursen und Erinnerungsräumen zur Neuinterpretation von Gewalt. Ein spezieller Fokus liegt außerdem auf der Stadt als zentraler Raum der Praxis und Interpretation von Gewalt.
Vor dem Hintergrund der Deutungshoheit machtvoller Akteur:innen untersucht das Arbeitspaket, wie und mit welchen Konsequenzen sich die Rechtfertigungsmuster und Bedeutungszuschreibungen politischer Gewalt verändern. Während einerseits anhand des Fallbeispiels Kolumbien der Effekt von Ligaturen der Gewalt (z.B. koloniale Normen und Praktiken) auf Gewaltentwicklungen, Friedensprozesse und autoritäre Strukturen untersucht wird, wird außerdem die Umdeutung historischer Gewalt und der Einfluss auf politische Beziehungen anhand der Anerkennung von kolonialen Völkermorden (z.B. an Herero und Nama oder an First Nations in Siedlerkolonialstaaten) analysiert. Das Arbeitspaket wird von der Philipps-Universität Marburg und PRIF geleitet.
Das Arbeitspaket nimmt in den Blick, wie gesellschaftliche Neuinterpretationen von Gewalt durch den seit den 1980/1990er Jahren zu beobachtenden heritage bzw. memory boom stattfinden. Anhand von Fallbeispielen in verschiedenen Teilen der Welt wird untersucht, inwiefern eine Umdeutung historischer Heroisierung in Denkmalstürzen marginalisierte Opfer, Täter:innen und Gewaltformen sichtbar macht und eine Verschiebung von Diskursen aus der Gegenöffentlichkeit in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten stellt und damit auch die offizielle Gedenkkultur ermöglicht. Das Arbeitspaket wird von der Goethe-Universität Frankfurt koordiniert.
Durch den Fokus auf die Stadt als zentraler Raum der Gewaltpraxis- und interpretation widmet sich das Arbeitspaket zunächst einer historischen Analyse von Gewalt in Straßenprotesten. Mithilfe von Archivstudien, Interviews und Bildanalysen städtischer Proteste in europäischen Metropolen und den USA sollen Akteur:innen, Formen der Gewalt, die Wandlung von Aktions- und Einhegungsformen sowie die Bedingungen in Städten als Einflussfaktor nachvollzogen werden. In einem weiteren Schwerpunkt werden urbaner Terrorismus und Zusammenhänge sowie Wechselwirkungen zwischen Stadt und spezifischen Formen des Islamistischen Terrors untersucht. Das Arbeitspaket steht unter Leitung der TU Darmstadt.