Im vierten TraCe Working Paper „Transformations in Genocide Discourse: Paths and Politics of Recognizing Colonial Genocides“ untersuchen Sally Ghattas, Sabine Mannitz, A. Dirk Moses und Núrel Bahí Reitz Veränderungen im diskursiven und politischen Umgang mit Massenverbrechen in Kolonisierungsprozessen. Nachdem koloniale Gewalt und ihre andauernden Folgen bis vor kurzem sowohl in postkolonialen und Siedlerkolonial-Staaten als auch in der internationalen Politik ganz überwiegend beschwiegen wurden, erfährt das Thema seit Anfang der 2000er Jahre zusehends politische Aufmerksamkeit. Beispielsweise wurden in Kanada und Skandinavien Wahrheitskommissionen eingerichtet, um die Geschichte von Enteignung, Vertreibung, kultureller Unterdrückung, Zwangsassimilation und Zerstörung der Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerungen aufzuarbeiten. Im Zuge dieser und weiterer Entwicklungen fand das Genozidkonzept Anwendung auf Gewalt in kolonialen Systemen. Die neuere Forschung zum Kolonialismus hat zudem die Frage aufgeworfen, ob die spezifische Form des Siedlerkolonialismus nicht als inhärent genozidal zu charakterisieren sei. Solche Einschätzungen haben zu Kontroversen geführt, denn die völkerrechtliche Kodifizierung erfolgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg und fasste den Genozidbegriff im Interesse einiger Staaten sehr eng. Jenseits des Streits um die Zulässigkeit der rechtlichen Kategorie für koloniale Verbrechen sind in den vergangenen Jahren in einigen Fällen politische Ansätze der Anerkennung und möglichen Wiedergutmachung erkennbar geworden.
Die Autor:innen beleuchten treibende Kräfte und konkrete Wege dieses Wandels im Umgang mit kolonialer Gewalt. Dabei stützen sie sich auf ihre eigenen Forschungen in Australien, Kanada und Namibia. Mit Blick auf das Ziel einer Überwindung von systemischer Gewalt, Gleichgültigkeit und Ungerechtigkeit in (post-)kolonialen Kontexten, zeichnet dieses Working Paper erfolgreiche Initiativen ebenso wie Hindernisse nach.
Sabine Mannitz und Núrel Bahí Reitz werden das TraCe Working Paper auf der Abschlusskonferenz der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ bewerben. Dort sprechen sie am 15. November 2024 auf dem Panel „Postkoloniale Erinnerungskultur translokal und transnational: Aufarbeitung, Aushandlung und Aktivismus“ über Partizipation in postkolonialen Aufarbeitungsprozessen.
Das Working Paper ist als Download (PDF) verfügbar.